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Die Legenden des Abendsterns

Ascan von Bargen's
DIE LEGENDEN DES ABENDSTERNS

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England, 1687: Ein verbotenes Ritual. Der Atem eines toten Gottes. Ein junger Mann, der sich gegen ein unabwendbares Verhängnis auflehnt.

Alles wonach Duncan sich sehnt, ist Frieden, doch bald wird er von der düsteren Vergangenheit seines Vaters eingeholt: Die jenseitigen Mächte, die dieser vor Jahren beschworen hat, fordern jetzt grausam Tribut von ihm ...

Als Duncan auch noch von Kopfgeldjägern verfolgt wird, die ihn irrtümlich für einen Mörder halten, zieht sich die Schlinge um seinen Hals immer schneller zu. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis der Verzweifelte endgültig in dieser Hetzjagd unterliegen muss - doch da erwacht plötzlich eine dunkle Gabe in ihm. Das mörderische Vermächtnis seines Vaters ...

LESEPROBE

«Nein!» - Christophers Verstand drohte endgültig zu zerspringen. Er war nicht mehr fähig, auch nur einen logischen Gedanken zu fassen. Abrupt war er aufgesprungen und hatte das Spiel abgebrochen, als seine Augen Rebecca erblickten. Er musste zu ihr! Was kümmerte ihn noch diese vermaledeite Orgel, diese sinnlose Fuge? Sie mussten zu Rebecca und sie aus den Klauen dieses lebendigen, widerwärtig stinkenden Alptraums befreien!
«Armand! Rebecca - wir müssen ihr helfen!»
Ohne eine Reaktion abzuwarten, stürmte der Earl los. «Großer Gott! Duncan!», gellten Armands Rufe durch die Dunkelheit der Kathedrale. Verzweifelt setzte sich der Marquis noch immer gegen die Angreifer zur Wehr und rammte einem der dämonischen Wesen seinen Dolch in eines der hervorquellenden, schleimtriefenden Augen.
Das Ritual! Sie mussten es zu Ende führen! Noch waren nicht alle Vorbereitungen-
Weitere kreischende Ungetüme krochen heran. Armand trat der ersten Kreatur in die entstellte Fratze und stach bereits nach der zweiten Spottgeburt, als er spürte, wie irgendetwas nach seinem Geist griff.
Es waren die Hurentöchter. Sie wollten ihn und die beiden anderen aufhalten, damit sie das Ritual nicht beenden konnten, während in der Zwischenzeit die Toten Götter wiedererweckt wurden. Das war Ronovés Werk!
Mit seinen Fingern vollführte Armand blitzschnell bizarre, uralte Gesten, hauchte seinen Atem in das unsichtbare Gespinst vor ihm in der Luft und rief ein fremdartiges Wort. Augenblicklich verwandelte sich die Luft, die die Hurentöchter atmeten, in loderndes Feuer! Dann warf er sich herum und schrie: «Duncan! Gütiger Himmel - so tu doch etwas!»

Clairebournes starrer Blick hatte sich voller Entsetzen auf die grotesken Spottgeburten geheftet, die eine andere Welt, ein obszöner, schauriger Spalt, vor ihnen ausgespieen hatte. Verwachsene, missgestaltete Entitäten, deren Äußeres ein Konglomerat verschiedenster Lebensformen umfasste: Skorpionstacheln, die neben menschlich anmutenden Gliedmaßen hervorwuchsen; insektenartige Facettenaugen, die überproportional vergrößert aus Leibern blickten, die wirkten, als seien drei oder vier menschliche Oberkörper umeinander geschlungen worden und inmitten dieses spinnenbeinigen Schreckens schnappten zischende Mandibeln gierig nach Opfern, um sie den auf widerwärtige Weise nach außen gestülpten Verdauungsorganen zuzuführen. Verständnislos erblickten die Männer Münder und Augen, die man offensichtlich zugenäht hatte - schwingenbewehrte Engel des Schreckens mit schwarzvioletten, gespaltenen Schlangenzungen. Sie alle folgten dem Ruf ihrer Königin, die ihnen den Weg in die Welt der Sterblichen geebnet hatte. Lebende Gesichter, die aus dem zerschmelzendes Gestein des Kathedralengewölbes hervortraten. Nicht-irdische Körper, die sich lasziv aus diesen steinernen Gebärmüttern schälten, sich wie menschliche Insekten an wächsernen, spinnenartigen Fäden von der Decke abseilten. Blutrünstige, mordlüsterne Erinnyen, Seelenverschlinger, Rachegöttinnen, die nur ein einziges Ziel kannten ...
Dann sah er Christopher. Der Anblick dieses schreienden, rennenden Bündels Angst riss Clairebourne endlich aus seiner Lethargie. Mit einem Satz warf er sich auf ihn und versetzte ihm eine harte Ohrfeige.
«Die Fuge! Ihr müsst sie spielen, verdammt! Was glaubt ihr, was Ihr hier tut?»
«Rebecca! Ich muss zu ihr! Dieses Ding-»
«Zurück an die verdammte Orgel! Oder wollt Ihr uns alle umbringen?»
«Aber Rebecca!»
«Wraithe! Ich bedaure es sehr, aber Ihr zwingt mich dazu!» Duncan zog seine doppelläufige Pistole und richtete die gähnenden Mündungen auf Christophers bleiches, vor Sorge und Furcht entstelltes Gesicht. Dann spannte er mit grimmiger Miene beide Abzugshähne.

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